Fehlgeburt...eine Geburt, bei der jemand fehlt.

Damit wird dieses irgendwie anonyme Wort zu etwas Spürbarem.. 

Zuerst möchte ich gern sagen: Auch bei einer Fehlgeburt habt ihr das Anrecht auf Unterstützung durch eine Hebamme! Und natürlich auch durch die Frauenärzt*innen, aber das wisst ihr sicher...

Zur Information verlinke ich euch hier ein Informationsblatt von der AWMF, welches ich sehr informativ finde. Viele wichtige Fakten zum Thema werden hier aufgeführt und gut dargestellt, auch die therapeutischen Optionen! Mit einem Klick öffnet sich die Datei in einem neuen Fenster.

Definition der Schwangerschaftswoche

Es gibt verschiedene Angaben zur Schwangerschaftswoche. Vor allem bei verhaltenen Fehlgeburten gibt es normalerweise einen Unterschied zwischen der rechnerischen und der sonographisch bestimmten Schwangerschaftswoche: Da das Kind in der Regel mehrere Tage oder Wochen vor der Ultraschalluntersuchung verstorben ist, entspricht die per Ultraschall bestimmte Körpergröße einer früheren Woche als der, in welcher sich die Schwangerschaft rechnerisch befindet. Letzteres berechnet man vom Beginn der letzten Periode an, ggf. korrigiert durch die Ergebnisse vorheriger Ultraschalluntersuchungen.

Sprache macht einen großen Unterschied...

...und diese ist in der Medizin leider häufig nicht sehr einfühlsam. 

Das Wort Fehlgeburt habe ich ja schon kurz erwähnt, mit dem Verständnis der "Geburt, bei der jemand fehlt", benutze ich es gerne. Außerdem weiß dann einfach jeder, wovon man spricht. 

Ein anderer Begriff ist das Wort "Schwangerschaftsgewebe". Damit ist nicht das Kind gemeint, sondern die Gesamtheit dessen, was bei einer Fehlgeburt geboren werden darf oder bei einer Ausschabung herausgeholt wird. Das beinhaltet damit auch Plazenta, Eihäute, Blut und so weiter und ist deshalb ein praktischer Begriff. Zudem ist gerade bei frühen Fehlgeburten häufig gar kein kindlicher Körper zu erkennen, siehe Sternenkinder. Der kindliche Körper sollte aber immer als menschlicher Körper benannt und auch behandelt werden.

Bei Fehlgeburten ist es üblich zu sagen, "Das Kind wächst nicht mehr." oder "Das Herz schlägt nicht mehr.". Das ist natürlich beides korrekt, aber zugleich auch eine leichte Verniedlichung dessen, was da passiert. Es ist sehr wichtig, achtsam und behutsam die Nachricht zu übermitteln. Da mag es irritierend und auch schwierig sein, davon zu sprechen, dass das Kind "gestorben" ist - und doch ist es die Wahrheit und gibt meiner Empfindung nach dem ganzen Geschehen wie auch dem kleinen Menschen, der da gegangen ist, eine andere Realität - eine, die es wert ist, betrauert zu werden. 

Hilfe bei Fehlgeburt

Zum Glück wird das Angebot immer vielfältiger: In vielen Gegenden gibt es spezialisierte Angebote, falls ihr von einer Fehlgeburt oder einem anderen Schwangerschaftsverlust betroffen seid. Dr.Google kann euch bei der Suche weiterhelfen. Viele Vereine oder öffentliche Träger bieten Selbsthilfegruppen an und in manchem Internetforum kann man sich mit anderen Betroffenen austauschen. Auch professionelle Hilfe im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung darf bei Bedarf in Anspruch genommen werden.

Es gibt keine richtigen oder falschen Gefühle

Ich möchte an dieser Stelle nicht schreiben „Du machst gerade die schlimmste Erfahrung deines Lebens durch“ oder Ähnliches - denn das weiß ich nicht. Für viele Frauen und Männer ist es so - für andere aber auch nicht. Die Menschen und Situationen sind so unterschiedlich, dass es keine richtigen oder falschen Gefühle und erst recht keine immer gleichen Gefühle gibt.

Alles kann und darf sein: Trauer, Wut, Hoffnungslosigkeit genauso wie Scham oder Schuldgefühle, oder auch Gefühle von Liebe oder Erleichterung. Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig.

Auch eine Gleichzeitigkeit verschiedener klarer Gefühle oder ein wirres Wollknäuel von scheinbar nicht zueinander Passendem sind häufig. Manchmal ist in einem Moment auch einfach alles zu viel und die Verarbeitung braucht noch mehr Zeit.

Das Einzige, wovon ich abraten würde, ist zu glauben, man könne die Gefühle auf Dauer beiseite schieben. Denn gerade starke Emotionen wie Wut oder Trauer und auch im Speziellen Schuldgefühle verschwinden nicht, nur weil man sie nicht zulässt, sondern suchen sich häufig irgendwann einen anderen Weg, um rauszukommen. Und außerdem: Holt euch Hilfe, redet mit anderen, schaut was euch gut tut!

Mit dem Partner gemeinsam trauern

Meistens sind Betroffene nicht allein: Beide Eltern haben unterschiedliche Gefühle und unterscheiden sich in der Art, mit dem Ereignis umzugehen - und auch im Tempo! Eine Fehlgeburt oder ein anderer Schwangerschaftsverlust kann Paare einander näher bringen, sehr häufig aber gehen damit auch große Probleme in der Partnerschaft oder gar Trennungen einher. Dies ist bei dem späten Verlust eines Kindes sogar noch häufiger der Fall. Besonders dann, wenn es einem Partner besonders schwerfällt, hält der andere Partner häufig seine Trauer zurück, um unterstützend da zu sein. 

Manchmal ist es aber auch so, dass bei einem der Partner die Trauer über den Verlust überwiegt, während der andere vielleicht eher erleichtert ist, weil die Schwangerschaft vielleicht gar nicht so willkommen war. In diesem Fall ist der Austausch zugleich besonders wichtig und besonders schwer. Ich wünsche euch, dass es euch gelingt, die eigenen Gefühle und die des Partners nebeneinander stehenlassen zu können.

Die Begegnung mit anderen Menschen

Bei einer Fehlgeburt sind häufig noch weitere Menschen beteiligt: die werdenden Großeltern, die werdenden Geschwister und andere Menschen aus dem Umfeld des Elternpaares. Ich hoffe, ihr habt viele Menschen um euch, die euch eine Hilfe sein können! Und ich hoffe auch, dass ihr nur tröstende Begegnungen mit anderen Menschen habt oder es euch zumindest gelingt, die "anderen" Begegnungen nicht persönlich zu nehmen!

Zum Umgang mit Erwachsenen:

Wichtig zu bedenken finde ich, dass die Themen Tod und Trauer in unserer Gesellschaft häufig Tabuthemen sind und viele Menschen nicht wissen, wie sie hiermit gut umgehen können. So beschreiben viele Betroffene, dass sie von anderen Menschen vielleicht gut gemeinte, aber verletztende Aussagen hören, wie "Das war sicher besser so." oder "Du hast doch schon 2 Kinder." und ähnliches. Andere berichten, dass Menschen ihnen aus dem Weg gehen oder das Thema vermeiden.

Wichtig ist hier, gut auf sich selber zu achten und  - je nach Situation - die eigene Betroffenheit zu zeigen oder Grenzen zu ziehen: In einer Situation hilft es auszudrücken, dass die Aussage des Gegenübers einen verletzt hat, in einer anderen Situation ist es vielleicht besser, dem Gesprächspartner mitzuteilen, dass man gerade kein Gespräch über das Erlebte führen möchte. Es hilft aber manchmal auch, nachsichtig mit dem Gegenüber zu sein bzw. die Reaktionen nicht persönlich zu nehmen, denn viele Menschen wissen nicht anders mit der Situation umzugehen.

Zum Umgang mit den Geschwistern des Sternenkinds:

An dieser Stelle möchte ich keine allzu pauschalen Antworten geben, denn natürlich ist die Situation bei einem Jugendlichen anders als bei einem ganz kleinen Kind. Grundsätzlich können (gerade kleine) Kinder häufig sehr viel besser mit dem Thema Tod umgehen als wir Großen. Außerdem sind Kinder häufig sehr spürig, was die Emotionen ihrer Eltern angeht - sie nehmen genau wahr, wenn etwas los ist, aber können es natürlich nicht immer deuten, vor allem dann, wenn man nicht mit ihnen spricht. Dann neigen Kinder häufig dazu, die Gefühle der Eltern auf sich selber zu beziehen und sich schuldig zu fühlen.

Daher ist häufig Offenheit und Ehrlichkeit, zusammen mit einer liebevollen Begleitung, der richtige Weg.

Die spirituelle Bedeutung von Fehlgeburt

Spiritualität ist immer eine sehr persönliche Erfahrung und ob jemand Christ, Buddhist, Muslim oder Anhänger einer anderen Religion ist oder gar nicht an die Existenz einer Seele glaubt, prägt natürlich das Empfinden sehr.

Viele Frauen (einschließlich mir selber) berichten, dass sie die Anwesenheit einer anderen Seele gespürt haben, wenn sie schwanger waren - manchmal sogar schon vor Eintritt der Schwangerschaft. Manche begleitet auch von Anfang an das Gefühl, dass manche Seelen nur zu Besuch da zu sein scheinen. Auch einige Männer haben solche Anwesenheiten gespürt.

An dieser Stelle darf man allerdings nicht vergessen, dass speziell bei Frauen bzw. Paaren, die schonmal ein Kind verloren haben, in Folgeschwangerschaften auch ganz häufig Ängste auftreten, die leicht mit einer Vorahnung verwechselt werden können.

Die Seele des Kindes würdig zu verabschieden, wenn sie sich wieder auf einen anderen Weg begibt, ist ein wichtiger und heilsamer Schritt. Anregungen, diesen Abschied auch im Außen zu gestalten, findet ihr unter Rituale zum Abschiednehmen

Es lohnt sich auch, von einer weiteren Ebene dieses Thema zu beleuchten: In vielen indigenen Kulturen auf allen Kontinenten wird die Welt der Ahnen und auch der nach uns Kommenden als mit unserer heutigen Welt verbunden erlebt. Dies bezieht sich auf viele Dimensionen: Sie sagen, wir seien energetisch, emotional, psychisch und auf vielen weiteren Ebenen miteinander verbunden.

Auch die heutige epigenetische Forschung hat gezeigt, dass zumindest auf biologischer Ebene eine Weitergabe von wichtigen Ereignissen an die Nachkommen stattfindet - und wir natürlich auch von unseren Ahnen solche Prägungen erhalten haben.

Dies bedeutet einerseits, dass unser heutiger Umgang mit Fehlgeburten und anderen Schwangerschaftsverlusten auch die Geschwister des verlorenen Kindes und die nach ihnen Kommenden prägt. Und andererseits lohnt es sich, einen Blick in die Familiengeschichte zu werfen und zu erforschen, ob es fehlgeborene, totgeborene oder auf andere Weise verlorene Kinder gab und welche weiteren prägenden Erlebnisse sich in der eigenen Ahnenlinie finden. Manche Frauen berichten von unerklärlichen Ängsten, besonders im Zusammenhang mit Geburt und Fehlgeburt, die sich später durch "familien-biographische" Konstellationen erklären lassen.